Falschbezichtigung im Bußgeldverfahren – strafbar?
Wer im Straßenverkehr zu schnell gefahren ist oder eine rote Ampel missachtet hat, bekommt über kurz oder lang von der Bußgeldbehörde Post. Zunächst verschickt die Behörde im Bußgeldverfahren den so genannten Anhörungsbogen, in dem der Vorwurf beschrieben und meist ein Foto des angeblichen Verstoßes beigefügt wird. In dem Anhörungsbogen wird der Angeschriebene aufgefordert mitzuteilen, wer das betreffende Fahrzeug konkret gefahren hat.
Da nach deutschem Recht niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten, ist es in der Regel unschädlich, wenn der Bogen nicht zurückgeschickt wird. Die Bußgeldbehörde ist dann gehalten, mit eigenen Mitteln den Fahrer oder die Fahrerin zu ermitteln, z.B. indem das Foto mit den vorhandenen Bildern des Einwohnermeldeamtes abgeglichen wird oder aber vor Ort Erkundigungen eingeholt werden. In der Regel erlässt die Bußgeldbehörde dann den Bußgeldbescheid, auch wenn der Anhörungsbogen nicht zurückgelangt ist.
Immer wieder kommt es in der Praxis vor, dass der Fahrer in dem Anhörungsbogen eine andere Person angibt, die angeblich gefahren sein soll. Damit wird versucht, die Ahndung eines Verkehrsverstoßes zu umgehen, weil man z.B. bereits ein gut gefülltes Punktekonto hat oder noch in der Führerscheinprobezeit ist. In vielen Fällen ist dann angegebene Person damit einverstanden, dass sie die Schuld und Buße auf sich nimmt.
Wie häufig festzustellen ist, kommt dabei aber kaum jemandem der Gedanke, dass im ungünstigsten Fall durch die Angabe einer falschen Person die Sache verschlimmert wird. Wenn nämlich die Benennung der falschen Person „auffliegt“, erschwert dies zum einen die Arbeit des Verteidigers. Während in vielen Fällen nämlich durchaus die Möglichkeit besteht, dass die Bußgeldbehörde durch gezielte Argumentation z.B. von der Verhängung eines Fahrverbots absieht, wird die Behörde dazu kaum bereit sein, hier Entgegenkommen zu zeigen, wenn ihr zunächst die falsche Person untergeschoben wird.
Zum anderen aber macht sich derjenige, der eine falsche Person angibt, sogar strafbar. Namentlich in Rede steht die sogenannte „Falsche Verdächtigung“, die nach § 164 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet wird. Dabei ist es unerheblich, ob die angegebene Person mit der Aktion einverstanden war. Denn das Strafgesetz schützt zum einen die innerstaatliche Rechtspflege vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme dadurch, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen eine unschuldige Person betreibt. Zum anderen soll auch ein Unschuldiger davor geschützt werden, mit einem unberechtigten Verfahren überzogen zu werden.
Ein bemerkenswertes Urteil zu dieser Frage sprach das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 20.02.2018 – 4 Rv 25 Ss 982/17). Dort hatte ein Fahrer in dem Anhörungsbogen eine nicht existente Person angegeben. Hier unterschied das Gericht sehr sorgfältig und kam in sehr kleinteiliger Auslegungsarbeit zu dem Ergebnis, dass eine falsche Verdächtigung nur dann vorliegen kann, wenn die verdächtigte Person auch tatsächlich existent ist. Weil dies im zu entscheidenden Fall aber anders war, sprach das Oberlandesgericht den tatsächlichen Fahrer vom Vorwurf der falschen Verdächtigung frei. Übrigens konnte der Fahrer auch nicht mehr wegen des Geschwindigkeitsverstoßes geahndet werden, weil diese Ordnungswidrigkeit inzwischen verjährt war.