Haftungsfragen bei Diebstahl eines Fahrzeugs aus einer Werkstatt
Wer sein Auto oder sein Motorrad in eine Werkstatt bringt, wird die folgende Szenerie kennen: Kommt man wegen des eigenen Feierabends später zu der Werkstatt, ist diese in der Regel schon geschlossen.
Man stellt sein Fahrzeug auf dem Hof der Werkstatt ab und wirft den Fahrzeugschlüssel in einen eigens dafür angebrachten Briefkasten mit der Aufschrift „Schlüsseleinwurf hier“. Im Regelfall erhält man dann sein Fahrzeug repariert oder mit den Winterreifen versehen zurück.
Allerdings treten durchaus Fälle auf, in denen Diebe sich an dem Schlüsseleinwurfkasten mit Spezialwerkzeugen zu schaffen machen und dann mittels des Fahrzeugschlüssels das abgestellte Fahrzeug stehlen. Fahrzeug und Dieb sind über alle Berge.
Hier stellt sich die Frage, wer für den entstandenen Diebstahlsschaden haftet. Wer über eine Teilkaskoversicherung verfügt, wird sich in der Regel an diese wenden. Diese wird sich dann im Wege des Regresses an die Werkstatt halten.
Besteht eine solche Teilkaskoversicherung jedoch nicht, weil sie etwa nicht abgeschlossen wurde, ist die Frage, ob die Werkstatt bzw. deren Versicherer gegenüber dem Bestohlenen für den entstandenen Schaden aufzukommen haben. Hier ist die Rechtslage vielgestaltig und eine Frage des Einzelfalls, offenbar auch abhängig von dem örtlich gerade zuständigen Oberlandesgerichts, wie sich im Nachfolgenden zeigen wird.
Während ein Oberlandesgericht eine Haftung der Werkstatt bejaht, lehnt ein anderes Gericht diese in einem identischen Fall ab.
Grundsätzlich gehört es zu den Nebenpflichten der Werkstatt aus dem Reparaturvertrag, dass das zur Reparatur gegebene Fahrzeug durch die Werkstatt im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen vor Diebstahl oder Beschädigung geschützt wird. Verstößt die Werkstatt gegen diese Obhutspflichten, so ist sie haftbar.
Hat der Kunde vorher angerufen und ist damit der Werkstatt bekannt, dass ein Kunde sein Fahrzeug nach Werkstattschluss abgibt und den Schlüssel in den Schlüsselbriefkasten werfen wird, und wird dann über Nacht der Briefkasten aufgebrochen und das Fahrzeug entwendet, ist nach einem Urteil des Landgerichts Bonn (Aktenzeichen 13 O 196/07, Urteil vom 09.09.2008) die Werkstatt für den Diebstahlsschaden haftbar, weil der Briefkasten für potentielle Diebe eine Einladung darstellt.
Eine entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingung der Werkstatt, dass sie für Diebstahlsschäden nicht hafte, erklärte das Gericht zugleich für unwirksam.
Ähnlich urteilte in einem anderen vergleichbaren Fall das Oberlandesgericht Celle in einem Urteil vom 09.06.2005, Aktenzeichen 8 U 182/04.
Genau andersherum, nämlich zulasten des Fahrzeugeigentümers, urteilte in einem solchen Fall das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 31.10.2000, Aktenzeichen 9 U 65/00), das den abendlichen Schlüsseleinwurf in einen nicht eingebauten Außenbriefkasten für grob fahrlässig hielt.
Ist der Werkstatthof nicht umzäunt und gesichert und erkennt der Kunde dies, kann er bei einem Diebstahl über Nacht auch laut dem Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 17.01.1996, Aktenzeichen 25 U 44/95) keinen Schadenersatz verlangen.
Wenn die Werkstatt den Schlüssel über Nacht in das Fahrzeugschloss steckt und dann das Fahrzeug gestohlen wird, haftet die Werkstatt allerdings für den Diebstahl, so das Oberlandesgericht Nürnberg (Urteil vom 05.12.1978, Aktenzeichen 3 U 112/78) und das Landgericht Hamburg (Urteil vom 01.04.1992, Aktenzeichen 302 O 82/91). Bewahrt die Werkstatt den Schlüssel jedoch getrennt vom Fahrzeug z.B. in den verschlossenen Büroräumen auf, kann der Werkstatt in der Regel kein Vorwurf gemacht werden (Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 12.07.2006, Aktenzeichen 5 U 610/05-93; Bundesgerichtshof Urteil vom 19.11.1996, Aktenzeichen X ZR 75/95).
Nach Meinung des Landgerichts Trier (Urteil vom 03.02.2016, Aktenzeichen 5 O 228/15) muss die Werkstatt den Fahrzeugschlüssel noch nicht einmal verschlossen aufbewahren. Dies mache der Fahrzeugeigentümer zuhause ja auch nicht.
Zu diesen verschiedenen Konstellationen treten in der Praxis Fragen der Beweisbarkeit, da sich die Werkstatt möglicherweise darauf berufen wird, dass sie den Schlüssel ordnungsgemäß verwahrt habe und ihr deshalb kein Vorwurf zu machen sei.
Der Werkstattkunde hat meist keinen Einblick in die konkreten Abläufe der Werkstatt, wo der Schlüssel verwahrt wird und ob er konkret steckengelassen wird.