Zugeschneite Verkehrsschilder – Muss ich sie beachten
Wer im Straßenverkehr unterwegs ist, weiß, dass eine Vielzahl von Verkehrsschildern aufgestellt sind. Es gibt Verkehrsschilder, die die Vorfahrt regeln, Verkehrsschilder, die die zulässige Geschwindigkeit angeben oder auch Verkehrsschilder, die anordnen, ob man an einer bestimmten Stelle halten bzw. parken darf. Ob alle Verkehrsschilder an der Stelle, an den sie aufgestellt worden sind, sinnvoll sind, ist eine andere Frage. In jedem Fall sind sie aber, wenn sie aufgestellt sind, grundsätzlich vom Verkehrsteilnehmer zu beachten.
Bei starkem Schneefall wie zu Beginn dieses Winters kann es jedoch passieren, dass neben den Straßen auch die Verkehrsschilder zugeschneit worden sind und nicht bzw. nur sehr eingeschränkt erkennbar ist, was dort geregelt wird.
Wird zum Beispiel ein Autofahrer wegen des Vorwurfes der Geschwindigkeitsüberschreitung geblitzt, stellt sich die Frage, ob ein Verkehrsschild, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung angeordnet hat, deswegen unbeachtlich gewesen ist, weil das schneebedeckte Straßenschild in Folge nicht leserlich war.
Sichtbarkeitsgrundsatz gilt
Grundsätzlich gilt bei Verkehrszeichen der sogenannte Sichtbarkeitsgrundsatz. Ein Verkehrsschild muss so aufgestellt worden sein, dass die Regelung, die das Schild trifft, mit einem raschen und beiläufigen Blick ohne weitere Überlegung des Autofahrers erfasst werden kann.
Dabei setzt die Straßenverkehrsordnung ein gewisses Mitdenken der Autofahrer voraus. Es ist auch maßgeblich für die Frage, ob ein verschneites Verkehrsschild beachtet werden muss oder nicht, bzw. ob ein Verstoß gegen die Regelung, die das Verkehrsschild traf, mit einem Bußgeld geahndet werden kann.
Die klare juristische Antwort auf die Frage, ob ein zugeschneites Verkehrsschild beachtlich ist, ist: Es kommt darauf an!
Form des Verkehrsschildes ist maßgeblich
Denn zunächst kommt es darauf an, welche Form das betreffende Schild hat. Kann alleine aus der Form des Verkehrsschildes ohne Überlegung geschlossen werden, was dort geregelt ist, ist es auch dann verbindlich, wenn es vollkommen zugeschneit ist.
Das achteckige Stoppschild oder das auf der Spitze stehende dreieckige Verkehrszeichen „Vorfahrt achten“ sind auch dann zweifelsfrei zu erkennen, wenn sie verschneit oder verdreckt sind.
Runde Verkehrsschilder werden zum Problem
Schwieriger ist es jedoch, wenn es sich um ein rundes Verkehrsschild handelt. Denn auf runden Verkehrsschildern sind alle möglichen Verkehrsregeln enthalten: Geschwindigkeitsbeschränkung, Parkregelungen, Überholverbote usw.
Das gleiche gilt für dreieckige Verkehrsschilder, wo die Spitze nach oben zeigt. Dies können allgemeine Gefahrenzeichen sein wie auch Hinweiszeichen auf bestimmte Gegebenheiten wie z.B. Wildwechsel oder eine unebene Fahrbahn. Diesen Verkehrsschildern kann nicht allein aufgrund der Form auf den Regelungsgehalt zweifelsfrei geschlossen werden.
Sind die runden Verkehrsschilder oder die Verkehrsschilder die dreieckigen Verkehrsschilder mit der Spitze nach oben vollkommen zugeschneit oder verdreckt, kann grundsätzlich nicht erwartet werden, dass man sich an die betreffenden Regelungen hält.
Es wird auch vom Autofahrer nicht verlangt, dass er, wenn er auf ein solches Verkehrsschild zufährt, dort anhält und dieses zunächst reinigt, um in Erfahrung zu bringen, was dort genau geregelt ist. Ist das Verkehrsschild allerdings nur leicht zugeschneit, so dass die Bedeutung noch erfasst werden kann, bleibt es natürlich gültig.
Allgemeine Regelungen sind unabhängig vom unleserlichen Schild
Es ist allerdings daran zu denken, dass natürlich auch darauf zu achten ist, wo sich der vorgeworfene Verkehrsverstoß zugetragen haben soll. Wer mit Tempo 80 durch die Stadt fährt, wird sich nicht darauf berufen können, dass ein Geschwindigkeitsverkehrsschild zugeschneit gewesen ist, so dass er es nicht hätte lesen können.
Denn die allgemeinen gültigen Verkehrsregeln müssen ungeachtet von Verkehrsschildern beachtet werden und es darf bei schlechten Witterungsverhältnissen nur so schnell gefahren werden, dass das Fahrzeug ständig beherrschbar ist. Die Geschwindigkeit ist entsprechend ggf. anzupassen.
Beweise sollen im Einzelfall gesichert werden
Allerdings sollte man daran denken, dass man das verschneite Verkehrsschild im Zweifelsfall auch tatsächlich im Bußgeldverfahren, wenn man ein Bußgeldbescheid bekommen hat, wird beweisen müssen. Ansonsten könnte die Aussage „Das Verkehrsschild war vollkommen zugeschneit“ als bloße Ausrede aufgefasst werden.
Es empfiehlt sich daher, entweder ein Wettergutachten des Deutschen Wetterdienstes anzufordern und ein Foto von der betreffenden Stelle zu machen. Sollte man nah an der Geschwindigkeitskontrolle durch die Polizei direkt angehalten werden (was bei einer Laserpistole der Fall ist), dann wird man aller Voraussicht nach, mit dem Hinweis, dass die Verkehrsstelle zugeschneit ist, besser durchkommen als in einem Verfahren, das mehrere Monate später beim Amtsgericht geführt wird.
Im Zweifelsfall wird der Polizeibeamte mit Ihnen zu dem betreffenden Verkehrsschild hingehen und sich überzeugen, ob es tatsächlich lesbar war oder nicht.
Ausnahmen für ortskundige Autofahrer
Eine wichtige Einschränkung gilt allerdings zu dem bislang gesagten für Ortskundige. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass ortskundige Verkehrsteilnehmer, die bestimmte Strecken regelmäßig fahren, wie z. B. den Arbeitsweg, wissen, welche Regelungen dort gelten und wo z. B. Geschwindigkeitsbeschränkungen angeordnet worden sind. Wird man beispielsweise auf dem Arbeitsweg geblitzt, wird ein Hinweis auf ein zugeschneites Verkehrszeichen kaum helfen.
Zugeschneite Windschutzscheibe
Ist die Windschutzscheibe zugeschneit, kann eine ausgelegte Parkscheibe nicht erkannt werden. Insofern gibt es hierfür kein Knöllchen. Denn dieses wird nur dann verhängt werden, wenn eine Parkscheibe abgelesen werden könnte.
Zugleich ist darauf zu achten, dass vor der Teilnahme am Straßenverkehr das Fahrzeug entsprechend von Schnee und Eis zu befreien ist, so dass eine sichere Fahrt damit möglich ist und nicht Schnee auf die Fahrbahn vor andere Verkehrsteilnehmer fällt oder man möglicherweise den anderen Verkehr nicht wahrnehmen kann, weil man versucht, mit einem kleinen Guckloch in der Windschutzscheibe voranzukommen. Dies dürfte auch erhebliche versicherungsrechtliche Konsequenzen haben.
Ferner ist daran zu denken, dass auch das Nummernschild des Fahrzeuges während der Fahrt leserlich sein muss. Dies muss zur Not freigekratzt werden, ansonsten droht ein Verwarnungsgeld.